Auftraggeber heißen bei uns so, und nicht Kunden. Die Auftraggeber haben ihrerseits Kunden. Ein Kunde heißt so, weil er weiß, was er will: er ist kundig. Unsere Auftraggeber wissen noch nicht genau, was sie wollen, deshalb vergeben sie Aufträge, anstatt etwas Fertiges aus der Schublade zu kaufen. Auf Englisch lauten die beiden Begriffe client und customer.
Meine Mutter sagte immer, dass schlampige Sprache ein Zeichen sei für schlampiges Denken. Leider kannten die meisten Agenturen meine Mutter nicht und nennen ihre Auftraggeber immer noch Kunden.
Wohin es führen kann, wenn diese Unterscheidung nicht beachtet wird, zeigt dieses Zitat aus einem Interview mit einer Agenturchefin:
> das heißt “bekannt” und bezieht sich auf die Person selbst, die dem Geschäftsbetreibenden bekannt ist. <
Genau das will ich damit sagen: ein Kunde ist sozusagen bekannt, weil er ja etwas Bestimmtes will. Kundig sein heißt ja heute, dass man sich auskennt. Da muss man nicht ins Althochdeutsche zurückgehen, weil Begriffe sich über diese 1000 Jahre durchaus geändert haben. Ein Auftraggeber weiß hingegen noch nicht, was er will, sondern erteilt einen Auftrag, den Gegenstand seines Problems zu definieren und dann gegebenenfalls eine Lösung zu finden.
Vor allem ist es wichtig, mehrere Hierarchien zu haben, wie englisch eben die Unterscheidung zwischen client und customer. Denn unsere Auftraggeber haben ihrerseits Kunden. Das hat nichts zu tun mit sprachgeschichtlichen Herleitungen. Sprache lebt bekanntlich.
Übrigens sind meine literarischen Erzeugnisse durchaus zu überprüfen anhand meiner Bücher oder Kolumnen, ganz im Gegenteil zu Ihrer anonym verbreiteten Besserwisserei.
Ihre Darstellung, dass ein Kunde so heiße, weil er weiß, was er will, also “kundig” sei, belegen Sie leider – gar nicht. Wie auch, es gibt nämlich keinen Beleg für Ihre Behauptung! Sie ist komplett ausgedacht.
Wie in den Kommentaren zuvor schon herausgestellt, leitet sich Kunde von dem althochdeutschem Wort “chundo” ab, das heißt “bekannt” und bezieht sich auf die Person selbst, die dem Geschäftsbetreibenden bekannt ist.
Ihnen sei freigestellt, Ihre Kunden mit dem sperrigen Wort “Auftraggeber” zu titulieren. Ihre Stärken liegen eben eher im (typo-)graphischen Bereich. Wir hoffen, Ihr Schaffen als Texter bzw. Lektor erschöpft sich in diesem einen Beitrag.
Dann ist der Kunde der letzte Auftraggeber in der Nahrungskette?
Also der “Endverbraucher”?
Oder sind Auftraggeber, Endverbraucher, Besteller etc. nicht nur bestimmte Sichtweisen auf Kunden?
Zumal ich “Auftraggeber” wesentlich unschärfer finde. Auftraggeber kann man für alles mögliche sein, selbst für einen Mord. Beim “Kunden” ist die professionelle Beziehung, um die es letztlich geht, schön impliziert.
Wir können uns die Entfremdung zwar schön reden, mehr aber auch nicht.
Das Wort «Kunde» ist schön einfach, aber eben doppelt belegt. Unsere Auftraggeber haben Kunden. Wer kann das unterscheiden, wenn diese Leute die Kunden unserer Kunden sind? Natürlich gibt es weiter die Kundenberatung, aber die findet nicht bei uns statt, sondern in der Sparkasse.
da ergeben sich ja jetzt schöne neue Worte für mich:
– Auftraggeberberatung
– Auftraggeberakquisition
– Auftraggeberdienst/ -service
– Auftraggeberschutz
– Auftraggeberhotline
– Auftraggeberkunden
– …
Ich bevorzuge – nach wie vor – Kunde. Denn von einem Kunden für ein Verbrechen habe ich noch nie etwas gelesen.
Danke, Armin, sehr aufschlussreich.
erik: >>Mir geht es aber um die Unterscheidung, um die Hierarchie zwischen Auftraggebern und deren Kunden. Englisch sauberer mit Client und Customer unterschieden.<<
Sogenannte „Namespaces“ sind extrem wichtig und wertvoller als einen eh´ brechendvollen Textblock zu retten.
Ich habe in den letzten Jahren in einer sehr eleganten OpenSource Entwickler Community (Das Content Management System „Plone“) den Wert exakter Sprache mit und Paradigmen wie „Convention over Configuration“ schätzen gelernt. Wenn man sich nicht mehr auf die Konventionen in der Sprache verlassen kann und jeder sich mit den Konnotationen zufrieden gibt (die man natürlich kennen darf!) landet man schnell in der Beliebigkeit.
Es gibt ein schönes, Konfuzius zugeschriebenes Zitat, das ich vor einigen Jahren bei Erwin Chargaff in seiner Essay Sammlung "Ernste Fragen", Clett Cotta gefunden habe:
Thema: „Exaktheit der Sprache“
„Wenn die Sprache unrichtig ist, dann entspricht das, was gesagt wird, nicht dem, was gemeint ist; und wenn das, was gesagt wird, nicht dem entspricht, was gemeint ist, kann nicht ins Werk gesetzt werden, was getan werden muß. Wenn das was getan werden muß, nicht ins Werk gesetzt werden kann, dann blühen Ritual und Musik nicht. Wenn Ritual und Musik nicht blühen, werden Strafen Ihr Ziel nicht treffen. Und wenn die Strafen nicht ihr Ziel treffen, dann wissen die Menschen nicht wo sie Hand und Fuß hinsetzen sollen. Deshalb benutzt der Edle nur solche Sprache, die dem Sprechen angemessen ist, und spricht nur von dem, das ins Werk zu setzen angemessen wäre. Der Edle überläßt bei dem, was er sagt, nichts dem Zufall.“ – Konfuzius, aus seinen Gesprächen (Lunyu)
sehr schön. werde ich in zukunft bewusster handhaben.
Also: bei mir heißt es, dass die Auftraggeber „noch nicht so genau wissen, was sie wollen …“. Das ist erheblich relativiert gegenüber der von dir behaupteten Formulierung.
Die althochdeutsche Ableitung ist natürlich korrekt, „chundo“ kann aber auch bedeuten, dass jemand sich auskennt. Er kann bei mir kundig sein (wir haben das ja noch bei „aktenkundig“), er kann aber auch selber kundig sein. Da sind die Quellen nicht eindeutig. Kundig heißt also allgemein, dass man sich auskennt und dass man bekannt ist, dass also jemand von einem Kunde hat. Mir geht es aber um die Unterscheidung, um die Hierarchie zwischen Auftraggebern und deren Kunden. Englisch sauberer mit Client und Customer unterschieden.
Hallo,
etwas spät, aber:
Lässt sich Kunde wirklich so einfach von “kundig” ableiten? Meines Wissens geht es zurück aus althochdeutsche chundo und meint soviel wie “bekannt” – Kunde ist also jemand, den man kennt (der einem “kund” ist, im Gegensatz zu einem Fremden). Und im Bereich Beratung spräche das sogar für diese Bezeichnung…
Außerdem finde ich es nicht so nett, dem Kunden/Auftraggeber zu unterstellen, er wüsste nicht, was er will: eher dass er es nicht formulieren kann und/oder nicht weiß, WIE er es bekommt 🙂
Herzliche Grüße
Gerne! Das kennt man ja selber, deshalb habe ich lieber nicht geschwiegen.
P.s. und jetzt höre ich aber auch auf damit:
auf http://edenspiekermann.com/en/blog hat sich das “e” ebenfalls aus dem Staub gemacht. 😉
Und verbessern sollte ich mich jetzt auch noch mal:
“In diesem Sinne wünsche ich weiterhin frohes Schaffen!”
Herzliche Grüße. Jonas
Danke, Jonas, das habe ich wirklich nicht gemerkt. Wahrscheinlich ein klassischer Fall von Betriebsblindheit – die eigenen Fehler sieht man bekanntlich nicht.
Vorab möchte ich mich für diesen Artikel bedanken und zugleich auf den zweiten Absatz hinweisen (ehrlich gesagt war ich mir nicht sicher ob es zu kleinlich sein würde darauf hinzuweisen, aber ich tu es trotzdem 😉
“Mein Mutter sagte immer, dass schlampige Sprache ein Zeichen sei für schlampiges Denken. Leider kannten die meisten Agenturen meine Mutter nicht und nennen ihre Auftraggeber immer noch Kunden.”
Ist das fehlende “e” bei “Mein(e) Mutter” am Satzanfang absichtlich (nicht) gesetzt? – wenn ja dann hat es meine volle Aufmerksamkeit bekommen und sein Ziel nicht verfehlt! 😉
In diesem Sinne wünsche weiterhin frohes Schaffen!
Beim Rechnungschreiben werden Auftraggeber zu Kunden. Mir geht es nicht ums Prinzip, nur um Klarheit. Was passiert, wenn man nicht unterscheidet, sieht man an dem Ausschnitt aus dem Interview.
Englische Gestalter wissen leider nicht, dass es andere Sprachen gibt, die man im Layout schon beim Entwurf berücksichtigen sollte.
Erik:
> Niederländische und deutsche Texte sind nun einmal länger als englische, das muss ein Layout berücksichtigen.
Jein… wenn es so einfach wäre… (Bei einer internationalen Coproduktion kann man die Seitenanzahl nicht ändern, und in diesem Fall wollte ich auch den Satz verbessern [AG mit -25 bis -40 Buchstabenabstand im Original] und das alles ohne den Entwurf merkbar zu ändern. Aber egal.)
Klar ist dein Prinzip schön. Aber einige Dutzend Mal “Opdrachtgever” bzw “Auftraggeber” auf einer Doppelseite kann auch nerven. Es ist ausserdem ein Bisschen wie die Unterschied zwischen “vormgeving” en “ontwerpen” im Niederländischen: Gestalter, die sich sehr ernst nehmen, wollen nicht “vormgever” heißen. Aber man wird wirklich keine besserer Gestalter indem man sagt, dass man entwirft.
Ich bin übrigens dafür, dass alle Kunden wie Auftraggeber behandelt werden; und da es auch in einer Agentur mit sgn. Idealen letztendlich auch ums Geld geht, sind Auftraggeber trotz allem auch Kunden. Habe ich jetzt die Quadratur des Zirkels geschafft?
Bei Anwälten und Unternehmensberatern heißen die Auftraggeber Klienten, bei Ärzten Patienten. Leider gelingt es nicht, den internen und den externen Sprachgebrauch zu trennen. Wenn einmal intern alle „Kunde“ sagen, dann bleibt es auch extern dabei. Deshalb muss ich meine Kollegen immer wieder korrigieren.
Niederländische und deutsche Texte sind nun einmal länger als englische, das muss ein Layout berücksichtigen.
Ich habe gerade Adrian Schaughnessy’s Buch “How to be a graphic designer…” ins Niederländische übersetzt, worin das wort “client” gefühlte 5000 Mal vorkommt. Hätte ich das immer als “opdrachtgever” übersetzt, dan hätte ich die Schrift 0,5pt kleiner machen müssen um den Text ins Layout reinfließen lassen zu können. Und der Text wäre nicht bequemer lesbar geworden. Also habe ich mich oft für “klant” entschieden. Ich finde, im täglichen inneren Verkehr einer Designagentur kann man ein Wort wie “Kunde” problemlos benutzen (der Effizienz halber) wenn man weiß, man meint eigentlich Auftraggeber. Für Mission Statements wäre “Klient” angemessen (aber ist es in dieser Bedeutung ausreichend eingebürgert?). In Holland wird “Cliënt” übrigens auch für psychiatrische Patienten benutzt.
Ich bin zwar weder Agenturchef, noch Auftraggeber oder Kunde – bestenfalls Student. Den Unterschied werde ich mir aber trotzdem noch besser einprägen, nach diesem Zitat …
Interesting. I agree that the English language is clearer than the German one: client versus customer.
The Dutch language has:
“opdrachtgever” or “client”, versus “klant” (the latter is referring to customer)
As a creative agency, maybe some of your clients are “passengers” or even “patients” 🙂
Auch Klient wäre eine passende Bezeichnung…
Oh wie schade, das sagt ausgerechnet die Agentur, die ich für die Premiere von CreativeMornings in Berlin im Kopf hatte. Jetzt muss ich da noch mal drüber nachdenken … zum Glück gibt es 3 Geschäftsführer 🙂