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Eine neue, alte Schrift

Die originale 16p Akzidenz Grotesk Serie 57 im Setzkasten in der p98a Werkstatt


Diese neue Schrift ist kein Revival und keine Überarbeitung einer alten Type. Sie ist eine Entdeckung – oder vielmehr eine Neu-Entdeckung. Ich kannte natürlich die AG 57 aus den Berthold Schriftproben und wusste, dass die Schnitte ab 14 Punkt anders aussahen als die kleineren Textgrade, die es auch für die Linotype gab. Aber ich hatte mir nie Gedanken über den Entstehungsprozess gemacht, obwohl 1957 doch so ein wichtiges Jahr war für die Typografie: Helvetica, Univers! 

Zwar wissen wir auch, dass die erste Veröffentlichung einer Bleisatzschrift selten den Beginn noch das Ende eines jahrelangen Entwicklung bezeichnet, aber es gab sicherlich einen Grund, warum Günter Gerhard Lange genau diese Jahreszahl für den Schriftnamen gewählt hatte. Die Textgrade für den Maschinensatz wurden in den Formen nicht geändert, sondern nur in den Dickten an das Linotype-System angepasst. Sie standen dann auch schon 1957 zur Verfügung und konnten mit den Handsatztypen der anderen Akzidenz Grotesk Schnitte kombiniert werden. Aber der Zeitgeist wollte mehr Ordnung: die Mitglieder der AG Familie waren untereinander nicht abgestimmt, sondern im Laufe der Jahrzehnte zueinander gekommen. Adrian Frutigers Univers hingegen war ein System: aufgeräumt, umfassend, modern, während die Neue Haas Grotesk 1957 zwar noch nicht Helvetica hieß, aber angetreten war, die Dominanz der AG zu beenden. 

Doppelseite aus einer Berthold Schriftprobe


1959 dann erschienen die Grade der AG 57 von 14 bis 48 Punkt. GGL hatte den Zeitgeist eingefangen und das jüngste Kind der Familie aufgeräumt, geglättet, vereinfacht. Leider wurde daraus keine komplette Schriftfamilie. Bis wir in einem falsch beschrifteten Setzkasten die AG 57 in 16, 20 und 28 Punkt entdeckten. 

Die neue Serie57® ist kein Revival, sondern eine neue digitale Schrift. Sie ist unsere Referenz an Günter Gerhard Lange, meinen Lehrer und mein Vorbild. 

Wir haben eine 64-seitige Broschüre gedruckt, vierfarbig mit Silber (!), welche die Arbeit an der neuen, alten Schrift beschreibt, von der ersten digitalen Version bis zur kompletten Familie. Die Broschüre kann hier bestellt werden. Auf Alex Roths Website wird die Familie umfassend dargestellt, dort gibt es auch Probefonts für den Download.

Unser Freund Stefan Nitzsche hat dazu ein kurzes Video gemacht.

Unit Rounded ist da.

Runde Schriften sind immer schon mal in Mode, mal wieder nicht. Einer der Gründe dafür war schon immer ein technischer: Schrift auf Bildschirmen und hinterleuchteten Schildern leidet unter Überstrahlungen, die auch die schärfsten Ecken unscharf erscheinen lassen. Die Lichtmenge lässt sich zwar kontrollieren, aber wen die Buchstaben scharf erscheinen, ist das Schild meistens zu dunkel. Also nimmt man eine Schrift, die schon unscharf ist, bzw. gerundete Ecken hat.

Seinerzeit, als wir noch Bleilettern mit viel Druck in das Papier prägten, gab es viele beliebte und deshalb gut verkaufte Schriften für Allerweltsdrucksachen, damals Akzidenzen genannt. Einer der erfolgreichsten war die Reklameschrift Block, die mit ihrer krausen Kontur viel aushalten konnte. Sie war sozusagen schon vorbeschädigt und konnte mangels Schärfe auch keine verlieren. Macht’s kaputt, damit nichts kaputtgeht, war die Maxime und selbst der wütendste Heidelberger Tiegel konnte diesen Buchstaben nichts anhaben.

Als ich die FF Info entwarf, waren die Ecken etwas abgerundet, damit die Schrift auf den Leuchtschildern des Düsseldorfer Flughafen nicht so stark überstrahlte. Außerdem lassen sich Buchstaben mit runden Ecken schneller und besser auf einem Schneideplotter verarbeiten, was bei 2500 Schildern durchaus ein Argument war.

Otl Aicher hatte Anfang der 70er Jahre für das Zweite Deutsche Fernsehen eine Schrift entworfen – eine Version der Univers mit extrem gerundeten Ecken. Fernsehen war damals noch sehr niedrigauflösend.

Andere Schriften hatten runde Ecken – der sogenannte Frankfurter-Würstchenlook – und wirkten damit freundlich und nahbar. Sie kamen und kommen vor allem auf Lebensmittelpackungen zum Einsatz. Eine Benzinmarke wie Aral mischt geschickt die Neutralität der Din-Schrift mit diesem freundlichen Look.

Dann kam Web 2.0 und damit das neue Interesse and runden Schriften. Diesmal werden sie bleiben, sowohl als modische Aussage als auch aus technischen Gründen. Denn schlechte Medien wird es immer geben, die unzerstörbare Typen brauchen.

FF Unit Rounded fing an als eine Exklusivschrift, die wir mit Christian Schwartz Hilfe für Gravis machten, den größten Applehändler Deutschland. Es ging dabei um eine freundlich, aber auch präzise Schrift, die sowohl auf dem Bildschirm als auch auf Schildern, Anzeigen und T-Shirts gut aussehen und unverwechselbar sein sollte.

Gravis Round hat nur zwei Schnitte, deshalb wandte ich mich an Erik van Blokland, den Erfinder des Superpolator Programmes. Hier ist ein kleiner Film zum Download, der den Superpolator live – na ja, fast – in Action zeigt.

UnitAlternatives480

Oben:
Der Superpolator bei der Arbeit.
Jedes Bild steht für einen Interpolationsschritt. Die Größe des Radius am Strichende ändert sich unabhängig von der Strichstärke. Die dünnen Striche benötigen weniger Fläche auf der Grundlinie als die fetten. Ohne geraden Abschluss unten entsteht der pure Würstcheneffekt.

Erik machte viele Versuche um die genaue Beziehung zwischen Rundung und Strichstärke herauszufinden. Die leichteren Schnitte haben fast gar keinen geraden Grundstrich, während die fetteren auf einer Geraden stehen, die in runde Ecken übergehen. Der Radius musste für jeden Schnitte unterschiedlich sein, deshalb machte Erik Filme mit einem Schieberegler zur stufenlosen Darstellung. Jede Version war nummeriert, sodass wir eindeutig sehen und wiederholen konnten, welche Auswirkungen jede Änderung hatte. Der Superpolator ist sogar in der Lage, Innenkurven und diagonale Verbindungen darzustellen ohne große manuelle Eingriffe. .


Oben:
EvB und sein Superpolator erarbeiteten unermüdlich viele Vorlagen und machten es einfach, die richtigen Strichstärken und Radien zu ermitteln.

Aber am Ende gab es immer noch viel Handarbeit zu tun. Das übernahmen die unermüdlichen Experten bei FSI, die immer das ausbaden müssen, was wir faule und oberflächliche Schriftentwerfer vergessen oder vermasseln. Diese Screenshots zeigen, was passiert, wenn man blind der Software vertraut. Die will nämlich an jedem Kurvenextrem einen Punkt einsetzen. Im Falle einer solchen gerundeten Schrift ist das jedoch nicht richtig. Nicht nur werden jede Menge überflüssige Punkte erzeugt, sondern auch merkwürdige Zacken und Buckel. Also mussten fast alle Extrempunkte wieder von Hand entfernt werden. Was bei ca. 450 Zeichen pro Schnitt und sechs Schnitten in richtige Arbeit ausartet.

FF Unit Rounded liegt im OpenType Format vor und hat alle dementsprechenden Features, zum Beispiel vier verschiedene Ziffernarten.

FF Unit ist als Vorlage streng genug um abgerundet zu werden ohne wie eine Würstchenschrift auszusehen, die nur für Comics taugt. Die Rounded sieht freundlich aus ohne an Präzision zu verlieren. Sie verändert ihr Aussehen drastisch, je größer sie gesetzt wird. FF Unit Rounded sollte dieser Tage bei den FontShops erhältlich sein.

PT 55/1986

Habe gerade diesen Artikel gefunden in Baseline 7 von 1986.
Er schildert die Entstehung der PT 55, jener Schrift, die später zur FF Meta wurde.

Anstatt die Texte abzuschreiben, habe ich den Artkel eingescannt und als PDF fürs Download eingestellt. Damit es nicht zu ewig dauert, ist das Dokument nur schwarz-weiss, aber trotzdem immer noch 3,6mb groß.

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