Diesen Nachruf habe ich heute morgen geschrieben. Er wird leicht redigiert am Montag, den 14. 09. in der Süddeutschen Zeitung erscheinen.
Adrian Frutiger, Schriftgestalter.
* 24. Mai 1928 in Unterseen bei Interlaken;
† 10. September 2015 in Bremgarten bei Bern
Schriftentwerfer kennt man nicht, so wenig, wie man den Müller kennt, der das Mehl gemahlen hat, aus dem das Brot gebacken ist, das wir täglich essen. Auch Schrift gebrauchen wir täglich, mehr noch als Brot. Adrian Frutigers Schriften kennen wir alle, seinen Namen kaum jemand: die Schilder am Münchner Flughafen sind aus seiner Schrift Univers gesetzt, die schon 1957 entworfen worden war, als erste Schrift überhaupt in einem System angelegt von 21 miteinander harmonierenden Schnitten. Im Ausland wurde die Univers nicht so schnell angenommen wie ihre schweizerische Halbschwester Helvetica, die im gleichen Jahr erschienen war. Aber spätestens zur Olympiade in München 1972 wurde sie schlagartig allen Gestaltern weltweit bekannt. Otl Aicher hatte mit seinem Team ein Erscheinungsbild entwickelt, in dem die Univers eine zentrale Rolle spielte.
Für den Pariser Flughafen Roissy (heute De Gaulle) hatte er Anfang der 70er Jahre das Leitsystem entwickelt und dabei beobachtet, dass seine Univers doch nicht optimal für solche Zwecke geeignet war. Also zeichnete er eine neue Schrift, die Frutiger heisst. Er schrieb selber dazu:
»Mein Meisterstück ist die Univers, aber meine Lieblingsschrift bleibt ehrlich gesagt die originale Frutiger. Wahrscheinlich ist es die Schrift, die in der Mitte der Schriftenlandschaft steht. Es ist wie ein Nagel, der eingeschlagen wird, an den man alles anbinden kann. Sie entspricht am ehesten meinem inneren Bild.«
Adrian Frutigers Methode, mit der Schere aus schwarzem Papier Formen zu schneiden und diese dann zu Buchstaben und Zeichen zusammenzusetzen, geht nach seinem eigenen Bekenntnis auf die Tradition seiner Heimat Interlaken zurück. Sie hat ihm das beste Werkzeug an die Hand gegeben, sein untrügliches Gefühl für Innen- und Aussenform, für Rhythmus, Kontrast, Spannung und Regelmässigkeiten in Formen umzusetzen, die mehr sind als alphanumerische Zeichen. Er hat einmal gesagt, dass er zwischen Architektur oder Bildhauerei schwankte, aber dann herausfand, dass Schriftentwerfen beides vereint.
Er steht neben Namen wie Garamond, Caslon, Bodoni, Renner, Gill, Meier und Zapf als ein Schriftgestalter, der eine ganze Epoche in Buchstaben ausgedrückt und festgehalten hat.