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Rotis am Ende?

Die heimliche Hoffnung jedes Schriftentwerfers ist es, seine Schriften jeden Tag und überall in Gebrauch zu sehen. Immerhin ist damit gelegentlich auch der finanzielle Erfolg verbunden, denn hin und wieder zahlen Gestalter und Agenturen doch Lizenzgebühren für Fonts.

Nun ist es mit einer Schrift wie mit einem Popsong: einmal veröffentlicht, darf jede(r) damit umgehen. Wie es ein Schlager aushalten muss, in der Badewanne (oder ihrer öffentlichen Version, dem Karaoke-Club) von jedem gesungen zu werden, so kann sich auch keine Schrift gegen irgendeine Verwendung wehren. Der Vorteil von Allerweltsschriften wie Helvetica ist es, dass sie einerseits wenige besondere Merkmale haben, die sie auffällig machen, aber andererseits so robust, dass sie einigen Missbrauch aushalten.

Anders steht es mit Schriften, die von ihrem Entwerfer mit einem gestalterischen Mehrwert ausgestattet worden sind. Dadurch sind sie auffälliger, schwieriger im Gebrauch und natürlich auch leichter zu beschädigen. Wenn zu diesen Auffälligkeiten noch ein ideologischer Überbau kommt, das Versprechen eines gewissermaßen eingebauten ästhetischen Vorsprungs also, dann ist die Fallhöhe sehr groß.

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Otl Aicher formulierte für seine Rotis nicht nur einen formalen Anspruch jenseits aller bestehenden Schriften, sondern er behauptete gleichzeitig auch höhere Lesbarkeit. Im vorauseilenden Gehorsam nehmen seitdem viele Gestalter und Architekten – von Baumann & Baumann bis Foster und weiter – Rotis für alles und hoffen, dem Gegenstand ihrer Gestaltung allein dadurch einen erhöhten intellektuellen Anspruch zu verleihen. Die meisten Schriftgestalter hingegen halten Rotis für eine Ansammlung schöner Buchstaben, die aber noch keine richtige Textschrift ausmacht.

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Wenn nun ein Laden für „gehobene“ Kücheneinrichtungen sich den Schriftzug in Rotis an die Fassade hängt, soll beim Betrachter eine Nähe zu Herstellern wie Bulthaup provoziert werden, obwohl keine der angebotenen Küchen je in einem der hervorragend gestalteten (und in Rotis gesetzten) Kataloge dieser Firma erscheinen dürfte. Der Auftritt des Schriftzuges ist ziemlich genau das Gegenteil dessen, was ein Gestalter aus der Rotis-Fraktion machen würde: dunkelrote Plastikbuchstaben mit Messingumleimer. Dazu eine kühne und inhaltlich völlig unmotivierte Unterstreichung, die sich ausgerechnet aus dem X nach links und rechts erstreckt. Das alles aus der schrecklichsten Version, der Rotis SemiSerif. Hinter dieser Anordnung und Materialität verschwindet jede Ideologie; es sieht einfach nur scheußlich aus. Endlich ist Rotis in der Normalität angekommen.