United Designers Network

Wenn man ein Mission Statement aufschreiben muss, hat man es nötig.
Hier also kein Mission Statement für unser neues Designbüro, vom Dezember 2002




United Designers Network | 12.2002

Design und Business müssen sich in der Praxis eines Designbüros ergänzen. Leider stehen diese beiden Disziplinen oft im Widerspruch. Gestalter wollen nicht hören, dass ihre Arbeit den Zwängen des Geldes unterliegt, dass Termine vom Auftraggeber anstatt von der Tageslaune bestimmt werden und dass dieser über Geschmack nicht streiten will. Und die Kaufleute wollen nicht einsehen, dass Ideen nicht umsonst im kostenlosen Pitch zu haben sind, dass Gestalter immer etwas weiter denken als gewünscht und dass der Konsument an sich nicht dumm ist.

Im Laufe des Designerlebens lernen wir, in diesem grundsätzlichen Konflikt keinen Widerspruch zu sehen, sondern eine Ergänzung. Wer sich darauf einlässt, Gestalter zu werden, muss wissen, dass er immer im Auftrag handelt und geschäftsmässige Gepflogenheiten anerkennt. Aber er sollte auch darauf bestehen, dass der Wunsch des Auftraggebers nicht Gesetz ist, sondern eben nur ein Wunsch. Es ist nicht unsere Aufgabe das zu machen, was der Auftraggeber will, sondern herauszufinden, was er wirklich braucht.

Einige Jahrzehnte Erfahrung in Designbüros – zuletzt mit fast 200 Mitarbeitern – haben mich gelehrt, dass es einfacher ist, diese Philosophie mit Kollegen umzusetzen, die selber auch schon ihre Lehren gezogen haben. In unserem Büro in Berlin arbeiten deshalb nur Gestalter und Gestalterinnen, die seit vielen Jahren im Beruf sind. Nicht, dass alle altersmild und vorauseilend kompromissbereit wären. Aber alle wissen, wann man welchem Auftraggeber widersprechen muss und wann es Zeit ist, Ergebnisse zu zeigen ohne Widerworte. Wir wissen auch, dass in jedem Designbüro der Welt die meisten Aufträge nach ihrem Abschluss im Archiv verschwinden und nicht bei Wettbewerben eingereicht werden. Das bedeutet nicht, dass wir nicht danach strebten, auch zu zeigen, was wir können. Es heisst lediglich, dass jedes Studio zuerst die Kosten erarbeiten muss, dann den Nutzen für den Auftraggeber vermehren und erst dann danach versuchen sollte, die Grenzen unseres Berufes zu erkunden und vielleicht sogar die Anerkennung unserer Kollegen und Konkurrenten zu gewinnen. Eitelkeit ist durchaus ein Motiv beim Griff nach den gestalterischen Grenzen, und die pragmatische Einschätzung der Möglichkeiten im Rahmen eines bezahlten Projektes darf nicht dem Wunsch entgegen stehen, immer etwas besser zu machen als beim letzten Mal. Aber am Ende sollten wir uns eingestehen, dass wir Verantwortung tragen nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Auftraggeber und für deren Kunden und Nutzer.

Das United Designers Network besteht zur Zeit in Berlin aus 10 Leuten: vier Gestalter, zwei Gestalterinnen, ein Programmierer, ein Praktikant für die Gestaltung, eine
Praktikantin fürs Büro und eine Kommunikationswirtin für Konzept und Projektplanung. Visitenkarten mit dem Aufdruck „An associate of United Designers Network“ haben dazu noch ein weiterer Programmierer und ein Designer in London, die alle nicht täglich im gemeinsamen Büro arbeiten.

Das ist der harte Kern. Um diesen herum gibt es Kollegen, die allein arbeiten oder selbst Büros haben. Mit denen machen wir Projekte. Allen gemeinsam ist, dass ich sie mag, ihre Arbeit schätze, dass sie viel Berufserfahrung haben und dass
ich mit ihnen schon gearbeitet habe, also weiss, wer was kann und was nicht. Fasst alle dieser Leute haben einmal bei MetaDesign gearbeitet – in Berlin, London oder San Francisco.

Das neue Büro in Berlin gibt es seit dem Herbst 2002; im Herbst 2003 wird ein kleines Büro in San Francisco aufmachen, und London wird nicht viel länger auf sich warten lassen. Höchstens 256 United Designers wird es geben, aber immer in einem Netzwerk ohne Bürokratie und Titel. Und jeder selbst für sich verantwortlich.

Bisher haben wir vor allem an Projekten mit typografischem Schwerpunkt gearbeitet. Das Literaturkonzept für die Deutsche Bahn – also Richtlinien für die Gestaltung aller Drucksachen – war in der Version 1.2 Ende 2002 fertig. Jetzt geht es an das Update auf 2.0, zu dem solche Leckerbissen gehören wie die Gestaltung von Geschäftsgrafiken und Tabellen. Auch eine neue Schrift ist in der Planung. F¤r unser Büro habe ich übrigens eine eigene Schrift gestaltet, die Unit. Für einen Hersteller aus der Automobilbranche erarbeiten wir eine Kennzeichnung für Händlerbetriebe, ein vierteljährlich erscheinendes Magazin läuft gerade wieder an, eine Website für eine kleine Druckerei ist in Arbeit, ein grosser japanischer Automobilhersteller hat vor kurzem angerufen und eine Tageszeitung will im September ein Relaunch machen. Zu tun gibt es genug. Es wird schwierig werden, die viele Arbeit an alle zu verteilen, dabei den Überblick zu behalten, Spass zu haben und klein zu bleiben. Und eines Tages werden wir sogar eine eigene Website haben.

Da wir alle in zwei Räumen auf Rufnähe sitzen, gibt es keine Trennung in Teams. Jeder arbeitet mit einem oder mehreren Partnern an den Projekten und jeder steigt bei Bedarf auch mal in ein Gespräch ein. Obwohl wir ein kleines Büro sind, können wir Aufträge machen, die sonst eher an grosse Firmen gehen, denn wir haben alle Erfahrung mit Grossprojekten. Wir haben aber auch gelernt, dass wenige gute Leute ohne Hierarchien mehr leisten können als doppelt soviele Leute in einem bürokratisch verwalteten Betrieb, in dem die
Leistung von Controllern nach Stundenzetteln beurteilt wird anstatt von Gestaltern nach ihrem Inhalt. Praktikanten sind soweit in die Arbeit involviert, wie sie können und wollen. Es gibt keine typischen Sklavenarbeiten wie kopieren, scannen oder Kaffee kochen.

Alle machen das, was sie am besten können. Ich schreibe die meiste Zeit.